Donnerstag, 6. März 2014

Nationales Referenzzentrum für Bauberufe und Programmabschluss


Nachdem wir uns am dritten Tag des Studienbesuchs mit den die nationalen Referenzzentren in der Theorie beschäftigt haben, haben wir uns ganz praktisch das nationale Referenzzentrum für Bauberufe in Madrid angesehen (keine Website bekannt). Hier werden neben der klassischen Berufsausbildung auch Weiterbildungskurse entwickelt und durchgeführt, sowie Kurse im Sinne einer Anpassungsausbildung abgehalten. Dies schließt zum Beispiel erneuerbare Energien (Solaranlagen) oder Tätigkeiten in der Bauklempnerei ein. Vor zwei Jahren wurden (in alle nationalen Referenzzentren) ca. 30 Millionen Euro investiert. Jetzt stehen jährlich 8 Millionen Euro für die Grundfinanzierung aller nationalen Referenzzentren zur Verfügung. Ehrlich gesagt war ich etwas erschrocken über diese geringe Finanzausstattung. Eine deutliche Anhebung dieser Investitionen in die Berufsbildung könnte die Arbeit der Referenzzentren deutlich voran bringen.

Außengelände für Tiefbauarbeiten und Vermessungstechnik
Werkstatt für Bauklempnerei und erneuerbare Energie
Simulationsraum für Baumaschinenfahrer
Die Leiterin des  Referenzzentrums bei Vorführung von Garten- und Landschaftsbau im Schulgarten

Gemeinsames Mittagessen

SEPE hat uns zu einem gemeinsamen Mittagessen eingeladen. Dieses wurde in einer angenehmen Atmosphären einem abgetrennten Bereich der Kantine eingenommen und war ein schöner Abschluss des offiziellen Programms.

Arbeiten am Gruppenreport

Der letzte Nachmittag wurde mit der Arbeit am Gruppenreport verbracht, der fast fertiggestellt wurde. Es wurden noch einzelne Arbeitspakete verteilt und die irische Teilnehmerin wird den Gruppenreport - als Muttersprachlerin - finalisieren, korrekturlesen und an CEDEFOP und die Teilnehmer/innen übermitteln. Auch hier spielten die Refexion der Gruppenergebnisse die entscheidende Rolle. Die Diskussionen wurden diesmal aber nicht in Kleingruppen, sondern im Plenung durchgeführt.

Der letzte Abend

Der letzte Abend schloss mit einem gemeinsamen Abendessen ab. Leider mussten zwei Teilnehmer verfrüht abreisen. Wir hatten uns eine Restaurant am Plaza Santa Anna in Madrid ausgesucht und mit exzellente Tapas und ein paar Gläsern Bier und Wein den Abend gemütlich ausklingen lassen. Natürlich hatten wir auch hier nur ein Thema: Berufsausbildung und die diversen Bildungssysteme in den verschiedenen Ländern. Wir waren uns einig, dass das gesamte Programm gut gelungen war und wir in den Aufenthalt alle sehr wertvoll fanden.

Mittwoch, 5. März 2014

Tajamar, National Reference Centers und der Gruppenreport

Training Center TAJAMAR

Der dritte Tag unseres Studienbesuchs startete mit dem Besuch der halbstaatlichen (Berufs)schule Tajamar. Das Schulzentrum wurde vor gut 50 Jahren errichtet und finanziert sich zu 50% aus öffentlichen Mitteln und zu weiteren 25% aus Mitteln einer Stiftung. Der Rest wird durch Schulgebühren auf freiwilliger Basis und Spenden finanziert. Tajamar ist ein sehr großer Schulkomplex, der nicht nur VET (Vocational Education and Training) durchführt, sondern auch alle anderen in Spanien möglichen Schulformen abdeckt.

Tajamar ist ein gutes Beispiel für die Zusammenarbeit von Schule und Wirtschaft in Spanien. Viele ehemalige Schüler haben mittlerweile eigene Unternehmen und nehmen Schüler der Schule für Praktika auf. Spezialisiert hat sich die Schule auf IT (Microsoft) und digitalen und traditionellen Druck (Heidelberger Druckmaschinen, Mitsubishi). Der Schulleiter gab uns einen Überblick über die Themen und anschließend besichtigten wir einige Klassen und Werkstätten.

Schulleiter des Tajamar ITGT Mr. Garcia am Ende seiner Präsentation

Was mir als Ausbildungsleiter immer wieder im Verlauf des Studienbesuchs auffiel, waren recht große Gruppen im praktischen Training. Im Unterrichtsraum mit projektorientierten Aufgaben an IT ist dies sicherlich funktional,aber im Unterricht in Werkstätten oder an Maschinen ist dies nicht zweckmäßig. Die Kollegin aus Litauen stimmte mir zu und erklärte, dass dort so große Gruppen geteilt werden und der praktische Unterricht in Kleingruppen durchgeführt werde. Die Kollegen aus Italien und der Türkei machen den praktischen Unterricht wie in Spanien. Mit einer ähnlich großen Gruppe: Ein Lehrer betreut ca. 20 Schülern. Einig waren wir uns, dass eine kleinere Relation z.B. 1/10 im Bereich der Berufsausbildung bessere Resultate in kürzerer Zeit erzielen würde. Die erforderlichen Personalressourcen stehen in den meisten Ländern jedoch nicht bereit. Ein Problem sei, dass VET in vielen Ländern als "zweite Wahl"gegenüber einer akademischen Ausbildung gesehen werde.

Teile einer Schülergruppe im praktischen Training
Druckmaschine
Schülergruppe bei der Bildbearbeitung

Centros Referencia Nacionales - Nationale Referenzzentren

Am Nachmittag erhielten wir bei SEPE eine grundsätzliche Präsentation zu dem Konzept der Nationalen Referenzzentren. Spanien hat landesweit verschiedene Zentren, die sich um spezifische Themen der Berufsausbildung kümmern. Diese werden finanziert durch den spanischen Staat und die autonomen Regionen. Jedes Referenzzentrum hat die Aufgabe für den eigenen Bereich Ausbildung zu betreiben, neue Curricula zu entwickeln und zu testen und diese getesteten Curricula mitsamt geeigneter Didaktik an SEPE zu übermitteln. Dort können alle spanischen Berufsbildungszentren das Material und das getestete Curriculum kostenfrei erhalten, um es selbst zu implementieren. Es gibt für die verschiedenen Berufsbilder entsprechende Referenzzentren z.B. für Bauberufe, Chemieberufe, Fischfang, Holzverarbeitung etc. Diese sind regional so verteilt, dass es für die Zentren relativ einfach wäre, auch Experten aus der Wirtschaft einzubinden. Eine Übersicht der Referenzzentren findet man in diesem PDF.

Leider ist die Kultur der Teilhabe der Unternehmen an der Ausbildung junger Menschen nicht mit Deutschland vergleichbar. Zum Einen sind (derzeit) genug sehr gut ausgebildete Menschen am Arbeitsmarkt verfügbar, zum Anderen verlassen sich die Unternehmen auf die Ausbildungsinstitutionen des Staates und beteiligen sich nicht an diesen Anstrengungen.
Die Gruppe diskutierte die Einrichtung der Referenzzentren und fand dieses Vorgehen sehr gut. Die Referenzzentren sind über ganz Spanien verteilt und einzigartig. So bündelt man Kenntnisse und sorgt dafür, dass auch kleinere berufsbildende Einrichtungen passendes und getestetes Material zur Ausbildung bekommen können, ohne entsprechende didaktische Experten beschäftigen zu müssen. Außerdem ist dies ein guter Ansatz, eine einheitliche Qualität in den Unterricht zu bekommen.
Leider gibt es - für mich als letzten notwendigen Schritt - kein in dieser Form gestaltetes Prüfungswesen. Dies wäre ein Ansatz, den Spanien aus meiner Sicht verfolgen sollte. So könnte - neben der gleichbleibenden Qualität in der Ausbildung - auch ein mit Deutschland vergleichbares zentrales Prüfungswesen organisiert werden, dass tieferes Vertrauen in die Ausbildung schaffen könnte.

Arbeiten am Gruppenreport

Nach dem Mittagessen haben wir mehrere Stunden am Gruppenreport gearbeitet. Dieser Report ist obligatorisch und soll kein Tagebuch sein, sondern beinhaltet die diskutierten oder gesehenen Themen und stellt ein Umfeld zur Reflexion bereit. Es werden z.B. Beispiele zur Good Practices aus den Teilnehmerländern und dem Durchführungsland des Studienbesuchs aufgenommen. Wir haben in Kleingruppen diskutiert und unsere Ergebnisse im Plenum zusammengetragen. Eine anstrengende Arbeit, die aber durchaus neue Erkenntnisse für alle gebracht hat.

Hotelschule und königliche Werkstatt

Hotelschule

Die erste Station an diesem Tag führt uns zur Hotelschule I.E.S. Hotel Escuela , einer öffentlichen Schule, die duale Berufsausbildung im Gastronomie und Hotelfachbereich betreibt. Es gibt einen Hotelbetrieb mit echten Gästen während des Schuljahres. Uns wurde ein kurzer Überblick gegeben, was die Schule anbietet (Ausbildung zum Koch, Hotelfachmann, Tourismusfachmann, Kellner (Level 4 im Europäischen Qualifikationsrahmen EQF) Restaurantmanager, Hotelmanager (Level 5 im Europäischen Qualifikationsrahmen EQF)

Die Schule ist öffentlich und finanziert sich somit aus Mitteln des Staates. Lediglich ältere, nicht mehr schulpflichtige Schüler in den Level 5 Studiengängen zahlen einen Beitrag von derzeit ca. 400 EUR pro Jahr. Neben dem reinen Hotelbetrieb sind auch Konferenzräume buchbar. Das Hotel liegt etwas abseits, ist aber via Bus (ÖPNV) zu erreichen.

Königliche Werkstätten

Der Nachmittag unseres Besuchs hat sich im Schloss in Madrid abgespielt.

Schloss in Madrid - Amtssitz des Königs

Wir haben eine Einführung in die Arbeitsweise der Berufsausbildung im Schloss bekommen. Gefördert wird die Berufsausbildung durch den Staat und viele der Teilnehmer haben keine abgeschlossene Schulausbildung. Während der Berufsausbildung können sie den Schulabschluss durch zusätzliche Kurse nachholen. Es gibt keine dauerhafte Berufsausbildung wie dies Unternehmen in Deutschland anbieten. Die Finanzierung und Durchführung von Vocational Training funktioniert projektorientiert. Im Schloss laufen derzeit zwei Projekte: Garten- und Landschaftspflege und Buchrestauration.
Die Teilnehmer erhalten theoretischen Unterricht und Arbeiten praktisch in Gärten und Restaurationswerkstätten des Palastes. In den Restaurationswerkstätten arbeiten sie - nach einer sorgfältigen "Grundausbildung" an den echten historischen Büchern.

Garten- und Landschaftspflege

Buchbindung- und Restaurierung an Modellen

Restaurierung und Reinigung an echten historischen Büchern

Kalligraphie, Kunst und Fertigung von Replikaten

Montag, 3. März 2014

Marathon der Präsentationen - Der erste Tag des Studienbesuchs

Begrüßung durch SEPE

Nachdem im Laufe der Nacht alle Teilnehmer/innen angereist sind, sind wir heute morgen alle am Hotel abgeholt worden. Zu Fuß ging es zum SEPE Hauptquartier, das sich in unmittelbarer Nachbarschaft zum Hotel befindet.

Eingang des Hotels

Die Reform des spanischen Bildungssystems

Die Initiatoren des Stundenbesuchs haben nach der Begrüßung der Teilnehmer ca. 2 Stunden über das nationale Bildungssystem in Spanien referiert. Zudem wurde über die umfassenden Anpassungen der verschiedenen staatlichen Sektoren berichtet. Es handelt sich hierbei nicht um ein Reförmchen, sondern um eine umfassende und gut durchdachte Mega-Reform, die die gesamte Gesellschaft betrifft. Mein Eindruck ist, dass Spanien sich mit vielen notwendigen Dingen beschäftigt und erste gute Erfolge erzielt. So wurde trotz eines Rückgangs des BIP eine Stabilisierung der Arbeitslosenquote erreicht. Diese ist zwar immer noch auf einem sehr hohen Niveau (es gibt quasi in jeder Familie mindestens einen Arbeitslosen) aber die Reformen fangen an zu greifen. Dies zeigen jedenfalls die Indikatoren.
Während der Präsentation fühlten ich mich an verschiedene Maßnahmen erinnert, die auch im Rahmen der Agenda 2010 von der Regierung unter dem damaligen Kanzler Schröder ergriffen wurden. Diese haben - meiner Meinung nach - Deutschland in der seit 2008 anhaltenden Wirtschaftskrise sehr geholfen haben.
Ein wichtiger Punkt erinnerte mich an eine Diskussion, die aktuell in Deutschland geführt wird. Die Anzahl der Akademiker und ganz gering qualifizierten Arbeiter in Spanien ist unheimlich hoch. Über 40% der (meist arbeitslosen) Jugendlichen erreichen mindestens einen Bachelor- und/oder Masterabschluss. Dafür gibt es viel weniger auf Facharbeiterniveau qualifizierten Arbeitskräfte. Diese fehlen dem Arbeitsmarkt in Spanien. Ein Schicksal, welches uns in Deutschland bei einer noch weiteren Akademisierung ebenfalls drohen könnte.

Marathon der Präsentationen

Der erste Tag hier in Madrid war dann im weiteren Verlauf geprägt durch die Präsentationen der Teilnehmer. Die Teilnehmer der einzelnen Länder stellten ihre jeweiligen nationalen Bildungssysteme vor. Es gab erstaunlich viele Gemeinsamkeiten in den einzelnen Ländern. Der Schuleinstieg, die gymnasiale Schiene der Bildung und auch Berufsfachschulen. Was sich aber in vielen Ländern anders gestaltet ist die Art und Weise, wie Unternehmen in die Berufsausbildung einbezogen werden. In manchen Ländern werden die Unternehmen bezahlt, damit sie Schüler von berufsbildenden Schulen ausbilden (z.B. Schweden), in anderen Ländern erhalten die Schüler eine Vergütung, die entweder von der Regierung bezahlt wird oder von Unternehmen getragen wird (Niederlande, je nach Schwerpunkt der Berufsausbildung). Eine weitere Gemeinsamkeit in fast allen Ländern ist, dass kleinere Unternehmen sich nicht mit Ausbildung beschäftigen, da sie nicht auf eine Infrastruktur wie z.B. in Deutschland mit spezialisierten Schulen (Berufsschulen, duales System) zurückgreifen können.

Ausbilderqualifikation und Qualitätsentwicklung

Da ich selbst Prüfer für die AEVO bin war ich erstaunt, dass es - mit Ausnahme von Deutschland - keine Zertifizierungen für Ausbilder im Betrieb gibt. Praktikanten von Berufsfachschulen oder zur Ausbildung Beschäftigte kann in den anderen Ländern jeder betreuen.
Es gibt in einzelnen Ländern zaghafte Modellversuche zur Implementierung eines Qualitätsstandards für Berufsbildung. Einige Länder haben aber eine Qualitätsentwicklung im Bereich VET (Vocational Educational Training) auf der Agenda. In Kroatien, Ungarn und auch Irland versucht man Qualitätsindikatoren zu entwickeln, die den Erfolg der einzelnen Programme und Projekte zu ermitteln. Ein System wie in Deutschland, mit landesweit verbindlichen Standards ist lediglich in den Niederlanden und dem flämischen Teil von Belgien zu finden.

Tagesabschluss

Der Tag wird mit einigen Diskussionen in einer Taverne ausklingen. Wir werden gleich in die Innenstadt fahren und uns ein nettes Restaurant für ein gemeinsames Abendessen suchen. Unser Thema kenne ich schon: Berufsausbildung und alles was dazu gehört.