Training Center TAJAMAR
Der dritte Tag unseres Studienbesuchs startete mit dem Besuch der halbstaatlichen (Berufs)schule
Tajamar. Das Schulzentrum wurde vor gut 50 Jahren errichtet und finanziert sich zu 50% aus öffentlichen Mitteln und zu weiteren 25% aus Mitteln einer Stiftung. Der Rest wird durch Schulgebühren auf freiwilliger Basis und Spenden finanziert.
Tajamar ist ein sehr großer Schulkomplex, der nicht nur VET (Vocational Education and Training) durchführt, sondern auch alle anderen in Spanien möglichen Schulformen abdeckt.
Tajamar ist ein gutes Beispiel für die Zusammenarbeit von Schule und Wirtschaft in Spanien. Viele ehemalige Schüler haben mittlerweile eigene Unternehmen und nehmen Schüler der Schule für Praktika auf. Spezialisiert hat sich die Schule auf IT (Microsoft) und digitalen und traditionellen Druck (Heidelberger Druckmaschinen, Mitsubishi). Der Schulleiter gab uns einen Überblick über die Themen und anschließend besichtigten wir einige Klassen und Werkstätten.
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Schulleiter des Tajamar ITGT Mr. Garcia am Ende seiner Präsentation |
Was mir als Ausbildungsleiter immer wieder im Verlauf des Studienbesuchs auffiel, waren recht große Gruppen im praktischen Training. Im Unterrichtsraum mit projektorientierten Aufgaben an IT ist dies sicherlich funktional,aber im Unterricht in Werkstätten oder an Maschinen ist dies nicht zweckmäßig. Die Kollegin aus Litauen stimmte mir zu und erklärte, dass dort so große Gruppen geteilt werden und der praktische Unterricht in Kleingruppen durchgeführt werde. Die Kollegen aus Italien und der Türkei machen den praktischen Unterricht wie in Spanien. Mit einer ähnlich großen Gruppe: Ein Lehrer betreut ca. 20 Schülern. Einig waren wir uns, dass eine kleinere Relation z.B. 1/10 im Bereich der Berufsausbildung bessere Resultate in kürzerer Zeit erzielen würde. Die erforderlichen Personalressourcen stehen in den meisten Ländern jedoch nicht bereit. Ein Problem sei, dass VET in vielen Ländern als "zweite Wahl"gegenüber einer akademischen Ausbildung gesehen werde.
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Teile einer Schülergruppe im praktischen Training |
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Druckmaschine |
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Schülergruppe bei der Bildbearbeitung |
Am Nachmittag erhielten wir bei
SEPE eine grundsätzliche Präsentation zu dem Konzept der
Nationalen Referenzzentren. Spanien hat landesweit verschiedene Zentren, die sich um spezifische Themen der Berufsausbildung kümmern. Diese werden finanziert durch den spanischen Staat und die autonomen Regionen. Jedes Referenzzentrum hat die Aufgabe für den eigenen Bereich Ausbildung zu betreiben, neue Curricula zu entwickeln und zu testen und diese getesteten Curricula mitsamt geeigneter Didaktik an SEPE zu übermitteln. Dort können alle spanischen Berufsbildungszentren das Material und das getestete Curriculum kostenfrei erhalten, um es selbst zu implementieren. Es gibt für die verschiedenen Berufsbilder entsprechende Referenzzentren z.B. für Bauberufe, Chemieberufe, Fischfang, Holzverarbeitung etc. Diese sind regional so verteilt, dass es für die Zentren relativ einfach wäre, auch Experten aus der Wirtschaft einzubinden. Eine Übersicht der Referenzzentren findet man in
diesem PDF.
Leider ist die Kultur der Teilhabe der Unternehmen an der Ausbildung junger Menschen nicht mit Deutschland vergleichbar. Zum Einen sind (derzeit) genug sehr gut ausgebildete Menschen am Arbeitsmarkt verfügbar, zum Anderen verlassen sich die Unternehmen auf die Ausbildungsinstitutionen des Staates und beteiligen sich nicht an diesen Anstrengungen.
Die Gruppe diskutierte die Einrichtung der Referenzzentren und fand dieses Vorgehen sehr gut. Die Referenzzentren sind über ganz Spanien verteilt und einzigartig. So bündelt man Kenntnisse und sorgt dafür, dass auch kleinere berufsbildende Einrichtungen passendes und getestetes Material zur Ausbildung bekommen können, ohne entsprechende didaktische Experten beschäftigen zu müssen. Außerdem ist dies ein guter Ansatz, eine einheitliche Qualität in den Unterricht zu bekommen.
Leider gibt es - für mich als letzten notwendigen Schritt - kein in dieser Form gestaltetes Prüfungswesen. Dies wäre ein Ansatz, den Spanien aus meiner Sicht verfolgen sollte. So könnte - neben der gleichbleibenden Qualität in der Ausbildung - auch ein mit Deutschland vergleichbares zentrales Prüfungswesen organisiert werden, dass tieferes Vertrauen in die Ausbildung schaffen könnte.
Arbeiten am Gruppenreport
Nach dem Mittagessen haben wir mehrere Stunden am Gruppenreport gearbeitet. Dieser Report ist obligatorisch und soll kein Tagebuch sein, sondern beinhaltet die diskutierten oder gesehenen Themen und stellt ein Umfeld zur Reflexion bereit. Es werden z.B. Beispiele zur Good Practices aus den Teilnehmerländern und dem Durchführungsland des Studienbesuchs aufgenommen. Wir haben in Kleingruppen diskutiert und unsere Ergebnisse im Plenum zusammengetragen. Eine anstrengende Arbeit, die aber durchaus neue Erkenntnisse für alle gebracht hat.